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Ehre? Verantwortung!
Bericht von der Jahrestagung des Landeskulturverbandes ( Rendsburg, 9.11.2006)

Über einhundert Teilnehmer interessierten sich für „Bürgerschaftliches und ehren-
amtliches Engagement in der Kultur – Zwänge, Chancen, Grenzen“, das Thema eines ganztägigen Kulturkongresses vergangenen Donnerstag. Einmal pro Jahr lädt der Landeskulturverband Schleswig-Holstein e.V (LKV) Interessierte aus dem Kreis seiner 200 Mitglieder sowie die Öffentlichkeit zur Jahrestagung, zur Debatte über ein aktuelles Kulturthema ins Nordkolleg Rendsburg.
Acht Referate, dazu zwei Podiumsveranstaltungen – das von den Vorstandsmitgliedern Dr. Bernd Brandes-Druba (Sparkassenstiftung) und Hans Brüller (Landesverband VHS) organisierte Programm vermittelte einen Einblick in den Stand der Diskussion und zeigte Risiken sowie Chancen der weiteren Entwicklung auf. Gefördert wurde der Kongress durch die Staatskanzlei des Landes Schleswig-Holstein.

Die Begriffe „Ehrenamt“ und „bürgerschaftliches Engagement“ gäbe es im österreichischen Sprachgebrauch nicht. Man kennzeichne das Phänomen in seiner Heimat mit „Selbst- und Fremdausbeutung“. Wenige Minuten nach Begrüßung der Teilnehmer durch die Leiterin des Nordkollegs Rendsburg, Iris Mann, und einer kurzen Einführung in das Thema vom Vorsitzenden des Landeskulturverbands, Rolf Teucher, wies der erste Referent auf den eigentlichen Anlass der Diskussion. Gerold Muhr, der in Lübeck an der International School of New Media Kulturschaffende und ihre Vermittler für die Anwendung digitaler Medien trainiert, sprach unumwunden von Geben und Nehmen. Nach diversen Etatkürzungen und Nullrunden im Bundes- wie im Landeshaushalt der letzen fünfzehn Jahre leben schleswig-holsteinische Kulturinstitutionen von der Substanz. Ihre Mitarbeiter schieben Überstunden, haben Lohnkürzungen und Stelleneinsparungen bereits hinter sich. „Kultur entwickelte sich 2005 immer mehr zum Arbeitsmarkt der armen Selbstständigen. Fast 65 % von ihnen erzielen einen Umsatz von weniger als 17 Tsd. Euro im Jahr“ (Muhr, nach einer Pressemitteilung des Kulturrates vom 29.12.2005). Eigentlich geht es so nicht weiter. Es muss einen Weg aus der Misere gefunden werden. Allein aus der Staatskasse wird der nicht finanziert.

Zur Tradition bürgerschaftlichen Engagements

Die Verantwortung für öffentliche Kultureinrichtungen soll in die Bürgergesellschaft zurückgeführt und dort auf viele Schultern verlagert werden. Es war im 19. Jahrhundert das erstarkende Bürgertum gewesen, dass sich als Ausdruck einer eigenständigen Identität diese Institutionen schuf, erläuterte Dr. Stephan Opitz – der stellvertretende Abteilungsleiter der Kulturabteilung in der Staatskanzlei sprang mit seinem Referat ein für den Ministerpräsidenten. Im Blick zurück auf die Geschichte des LKV erkennt man das selbe Muster. Er wurde 1948 als Zeichen des Neubeginns begründet. Als „basisdemokratisch“ bezeichnete Opitz den Vorgang. So gehen Landesmuseen und Landestheater in Schleswig-Holstein auf bürgerschaftliches Engagement zurück. Mit der Globalisierung ihrer Aufgaben wuchs bei diesen Einrichtungen der Bedarf an professionellem Management. Den stützte der Staat mit stetig steigenden Kulturbetriebsmitteln ab. Nun fordern Politiker auf zur Rückkehr in die Zivilgesellschaft und ermahnen die Bürger, sich um den Erhalt des „bunten Marktes an Möglichkeiten“ (Opitz) selbst zu kümmern. Geboten werden Zuschüsse und die Hilfe zur Selbsthilfe. So sind Vereinsspenden heute in weit höherem Umfang als früher steuerlich absetzbar. Seit einer Gesetzesnovelle im Gemeinnützigkeitsrecht können vor allem Stiftungen ihren Förderern (und Zu-Stiftern) höhere Steuerabzugsmöglichkeiten bieten. Darauf wies Malte Boecker, Projektmanager der Bertelsmann Stiftung, in seinem Referat hin.

Über das Zeitspenden Engagierter

Ein Drittel aller Bürger liefert bereits in irgendeiner Form „freiwilliges Engagement“ für Deutschland. Sie seien der „Kitt“ (Teucher) jeder Gesellschaft. Ein weiteres Drittel ließe sich unter Umständen gewinnen, wird vermutet. Neue Wege zur Werbung Freiwilliger stellte Dr. Michael Eckstein aus Ahrensburg vor. Er initiierte dieses Jahr 16 Ehrenamt-Messen in Schleswig-Holstein und stellte das Ehrenamt-Forum vor, dass im Februar 2007 stattfinden wird. Sabine Geiss von TNS Infratest Sozialforschung in München wies die einzelnen Bereiche nach, in denen heute unentgeltlich Arbeit geleistet wird. „Kultur und Musik“ war nach „Schule und Kindergarten“ und dem Spitzenreiter „Sport und Bewegung“ die Kategorie mit den meisten Nennungen. Beim ersten Podiumsgespräch an diesem Tag kamen sechs in Schleswig-Holstein engagierte Menschen zu Wort. Für das Ehrenamt schaffen alle in ihrer Freizeit. Jeder hätte gern mehr Stunden zur Verfügung. Längst kann Kirsten Rickmers-Liebau das Interesse an Informationen über den Helgoländer Kinderbuchautor James Krüss nicht mehr befriedigen. Den Versand von Bücherpaketen an Schulen, den Briefkontakt, die Verwaltung des Nachlasses, den Aufbau eines Museums auf Helgoland – für alle diese Dienstleistungen braucht es Freiwillige, die aus Leidenschaft anpacken, die zuverlässig dastehen, selbst wenn kein Honorar lockt. Ihr wie auch Renate Kruse vom Friedrich-Bödecker-Kreis fehlt Nachwuchs. Die jungen Kollegen stünden so sehr unter Stress, erklärte die ehemalige Lehrerin, sie besäßen weder Zeit noch Geld, sich über ihren Beruf hinaus für die Verbreitung des Lesens zu engagieren. Die Neuen schauen sich um, knüpfen Kontakte und bleiben nach einer Weile weg. Das sei der Trend. Den Anreiz, sich überhaupt einzusetzen, liefert die Gemeinschaft. Bisweilen bliebe Mitarbeitern der LAG Soziokultur durch Arbeitsbelastung jedoch nicht mal mehr Zeit fürs Gespräch, berichtete Bernd Wulf, ihr Vorstand. Auch gäbe es gute Ansätze, aber es sei niemand da, der Muße fände, sie umzusetzen. Das schaffe Frust unter den Freiwilligen. Finanzielle Förderung einzelner Projekte könnte in Spitzenzeiten für Entlastung sorgen. Überhaupt mehr finanzielle Ausstattung wünschten sich die Betreiber der Vereine und mehr Anerkennung innerhalb der Gesellschaft, dazu eine klare Regelung der Zuständigkeiten bei den Ministerien und eine frühzeitige Begleitung der Antragsteller durch die Gremien, die über die Bereitstellung von Mitteln befinden. Ein Punktesystems für die Anrechnung ehrenamtlicher Tätigkeit zur Rente brachte Moderatorin Jutta Kürtz (Kulturjournalistin, Vorstand LKV) abschließend in die Runde ein.

Von der Lage in den Kultureinrichtungen

Zwischen haupt- und ehrenamtlich geführten Büchereien bestünde schlichtweg ein quantitativer Unterschied, erklärte Dr. Heinz-Jürgen Lorenzen, Direktor der Büchereizentrale Schleswig-Holstein. Die einen schaffen 5-10 Tsd., die anderen kommen etwa auf 150 Tsd Entleihungen pro Jahr. Einen großen Betrieb attraktiv am Laufen zu halten, erfordere weitreichende Fachkenntnis, Verantwortungsbereitschaft und Vollzeiteinsatz. Alle fünf Teilnehmer vom zweiten Podiumsgespräch betonten, wie wichtig ihnen die Zuverlässigkeit ihrer Mitarbeiter sei. Während sich Angestellte per Arbeitsvertrag verpflichten lassen, könnten sich Freiwillige jederzeit das Recht nehmen, aus persönlichen Gründen Verabredungen abzusagen. Dennoch: Ohne das Ehrenamt ließe sich weder das Programm eines Museums, Literaturhauses oder Landesmusikrates im gewohnten Umfang aufrecht erhalten. Auf einen Anteil von etwa 15 Prozent schätzte Dr. Wolfgang Sandfuchs die ehrenamtliche Hilfe fürs Literaturhaus Schleswig-Holstein. Er warnte vor der Abhängigkeit der Institutionen von kostenloser oder geringfügig bezahlter Arbeitskraft und empfahl, Erwartungen, Möglichkeiten und Grenzen des Engagements klar im Vorwege mit den Freiwilligen abzusprechen. Sonst stünde die programmatische Eigenständigkeit auf dem Spiel. Mitwirkung sei nicht erwünscht, wenn Entscheidungen nicht respektiert würden, stellte Dr. Martin Westphal klar, und ergänzte seinen Leitsatz durch eine Erfahrung mit engagierten Freiwilligen im Rendsburger Druckmuseum. Eine starke Verführung würden nach Meinung von Dr. Maren Welsch Praktikanten darstellen. Das seien fachlich gut ausgebildete Kräfte, die sich gegen eine Aufwandsentschädigung verpflichten ließen als Ersatz für Angestellte. Die Geschäftsführerin des Schleswig-Holsteinischen Kunstvereins hält eine Ausweitung dieser Art von Beschäftigungsverhältnissen mit geringfügigen Verdienstmöglichkeiten für denkbar und sieht darin hohes Konfliktpotenzial.

Professionell ist, wer sich Wissen verschafft

Die Öffnung der Einrichtungen für bürgerschaftliches Engagement stellt alle vor neue Herausforderungen. Wie sensibel mit dem Thema umgegangen werden muss, zeigte sich im Laufe des Tages bei der Suche nach Begrifflichkeiten. Man verbannte das Adjektiv „professionell“ vom Tagungsort. „Altruismus“ fiel bloß ein Mal. Auch die Unterscheidung in „hauptamtlich“ und „nebenamtlich“ versuchte man geschickt zu umgehen, um kein Streitgespräch ausbrechen zu lassen. Das gelang. Unter die Haut allerdings ging der Appell von Tobias Henkel, nicht sorglos ein Ehrenamt anzunehmen sondern sich im Vorwege eingehend über die finanziellen und rechtlichen Eingangsbedingungen kundig zu machen. Eindringlich wies der Direktor der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz alle Verantwortlichen auf die gesetzlichen Vorgaben zur Haftung mit Privatvermögen, erklärte Risiken der Rückwärtsdeckung und der Nachhaftungsdeckung. Eine Unternehmung wie die Albert Schweitzer Stiftung (auf Platz 14 des Bundesrankings) macht ein Umsatzvolumen von 40 Millionen Euro. Dieses Geschäft mit der Kultur wird ehrenamtlich verwaltet. Eine Ehre? Scheu und Ehrfurcht wurzeln in derselben Wortfamilie.

Das gesamte Programm finden Sie unter: http://www.landeskulturverband.kulturnetz-sh.de

Daniela Mett
Freie Journalistin und Autorin, Projektentwicklerin
„ Panama – Kulturblatt Schleswig-Holsteins“, Kiel 2006
zukunft@panama-sh.com

 
     
   
     
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